Prostitution – Kein Beruf wie jeder andere: Warum wir das Nordische Modell fordern

Am 24. Juni 2025 wurden im Bundestag die Ergebnisse der Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes vorgestellt. 

Das Gesetz ist seit 2017 in Kraft und wurde vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen untersucht. Seit 2002 ist Prostitution in Deutschland rechtlich nicht mehr sittenwidrig und entkriminalisiert – unser Land gehört damit zu den Ländern mit den liberalsten Prostitutionsgesetzen weltweit. Die Legalisation sollte dazu beitragen, Prostituierte aus der Illegalität herauszuholen, um ihnen einen besseren Schutz zu gewährleisten. Jedoch führte diese auch dazu, dass Zuhälter und Menschenhändler es einfacher haben, andere zu prostituieren.  Ziel des Gesetzes von 2017 war es deshalb, Menschen in der Prostitution – überwiegend Frauen – noch mehr Schutz und Selbstbestimmung zu ermöglichen. Vorgeschrieben sind seitdem unter anderem eine verpflichtende behördliche Anmeldung sowie ein Beratungsgespräch zu gesundheitlichen Risiken und Gefahren. Auch der Schutz Minderjähriger sollte so verbessert werden.

Die Evaluation nennt als Fortschritte die rechtliche Anerkennung von Prostitution als Beruf sowie die Schaffung von Beratungsangeboten. Gleichzeitig betont sie, dass die bestehenden Strukturen ausgebaut und verbessert werden müssen.

Die Evaluation entspricht aus unserer Sicht jedoch nicht der Realität vieler Prostituierten, sondern repräsentiert vor allem deutsche, selbstbestimmte Frauen in der Prostitution und wirft somit ein verzerrtes Bild auf die Lage von Prostituierten in Deutschland.

Eine ausführliche Stellungnahme kann in der Pressemitteilung des Bundesverbandes Nordisches Modell nachgelesen werden.

Unsere Haltung: Das Nordische Modell statt weiterer Liberalisierung

Wir von Blickfeld Menschenhandel e. V. schließen uns der Kritik zahlreicher Organisationen an, die sich gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution engagieren. Für uns ist klar: Eine grundlegende Gesetzesänderung ist notwendig, um Betroffene wirksam zu schützen und Menschenhandel entschieden zu bekämpfen.

Deshalb sprechen wir uns für die Einführung des Nordischen Modells in Deutschland aus – ein Modell, das seit 1999 in Schweden besteht und inzwischen in zahlreichen weiteren Ländern unter dem Begriff Equality Model (Gleichstellungsmodell) umgesetzt wurde. Der Ansatz des Nordischen Modells ist, dass Sexkäufern die Macht entzogen wird und den Menschen in der Prostitution gegeben wird. Somit ist das Recht immer auf der Seite der Prostituierten. Prostituierte werden nicht in die Illegalität abgeschoben – sie können weiterhin ihren Beruf frei ausüben, verfügen aber über mehr Selbstbestimmung und Ausstiegsmöglichkeiten.

Was das Nordische Modell ausmacht

Das Nordische Modell basiert auf der Anerkennung, dass Prostitution eine Form von Gewalt ist. Es verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz mit folgenden Grundpfeilern:

  1. Entkriminalisierung der prostituierten Menschen
  2. Ausbau von Ausstiegshilfen: Flächendeckende Angebote für Schutz, Beratung und Hilfe beim Ausstieg müssen geschaffen werden.
  3. Aufklärungs- und Präventionsarbeit: Die Öffentlichkeit soll über die Realität des Prostitutionssystems informiert werden. Gleichzeitig muss der gesellschaftliche Diskurs über Menschenwürde und Gleichstellung von Mann und Frau im Zusammenhang mit Prostitution anreget werden.
  4. Generelle Kriminalisierung von Profiteuren: Freier, Zuhälter, Bordellbetreiber und Menschenhändler sollen strafrechtlich verfolgt werden.
    (Quelle: Bundesverband Nordisches Modell)

 

Warum das wichtig ist

Studien und Aussagen von Expert:innen zeigen:

  • Rund 90 % der Frauen in der Prostitution sind nicht freiwillig dort.
  • Prostitution zählt zu den gefährlichsten Tätigkeiten, die eine Frau ausüben kann.
  • Die Sterblichkeitsrate von Frauen in der Prostitution ist 40% höher als in anderen Berufen
  • In Ländern mit liberalen Prostitutionsgesetzen gibt es mehr Menschenhandel.

(Quellen: American Journal of Epidemiology / EU-Studie zu Menschenhandel / SWR-Beitrag)

Diese Fakten lassen keinen Zweifel: Das bestehende System schützt nicht ausreichend.

Was jede:r Einzelne tun kann

Damit es in Deutschland zu einem gesetzlichen Wandel kommt, braucht es auch zivilgesellschaftliches Engagement. Jede Stimme zählt!
Du kannst etwas bewegen – zum Beispiel durch:

  • 📚 Information: Lies, höre und sprich über das Thema. Wissen schützt.
  • ✍️ Petitionen: Unterstütze Initiativen, die sich für das Nordische Modell einsetzen.
  • 📢 Aufklärung: Sprich mit Freund:innen, Kolleg:innen und Familie – viele kennen die Realität nicht. 

Wir glauben: Die Würde des Menschen ist, wie im Grundgesetz verankert, unantastbar. Andere Menschen „kaufen“ zu dürfen, ist mit diesem Ansatz nicht vereinbar.

Prostitution ist KEIN Beruf wie jeder andere.
Deshalb fordern wir: Ein Gesetz, das schützt – nicht ein System, das ausbeutet.

Für mehr Informationen:

Zum Nordischen Modell:
Bundesverband Nordisches Modell

SWR-Beitrag zum Nordischen Modell und aktuellen Lage von Menschen in der Prostitution in Deutschland:
Prostitution – ein Beruf wie jeder andere?

Netzwerk Ella: Hier berichten Aussteigerinnen von ihren Erfahrungen in der Prostitution